Beteiligung an und in der Demokratie

2018 hat Österreich bisher sinkende Wahlbeteiligungen gebracht. Der wiederkehrende Blick auf diesen Trend verdeckt, dass Demokratie von unterschiedlichen Formen der Beteiligung und Mitwirkung auch abseits der Stimmabgabe lebt. Dennoch sind und bleiben Wahlen ein zentrales Element.

Am 6. Mai hat Innsbruck einen neuen Bürgermeister gewählt. Der siegreiche Kandidat erhielt 52,9 Prozent der Stimmen. Allerdings haben nur rund 44 Prozent überhaupt an der Stichwahl teilgenommen, so gesehen reichte dem neuen Stadtoberhaupt die Unterstützung von 20 Prozent der Wahlberechtigten zum Sieg.
Eine sinkende Wahlbeteiligung konnte man ebenso bei den Landtagswahlen 2018 beobachten, mit Ausnahme Tirols gaben auch in absoluten Zahlen weniger Menschen ihre Stimme ab als noch 2013. Ein Gedankenspiel zur Veranschaulichung: Wären die NichtwählerInnen eine eigene Partei, dann hätten sie in Tirol 188 und in Salzburg 61 Gemeinden gewonnen – mehr als jede andere Partei.

Gemeindemehrheiten für NichtwählerInnen in Tirol und Salzburg

Anmerkung: In den markierten Gemeinden gibt es mehr NichtwählerInnen als WählerInnen der stärksten Partei. In beiden Bundesländern sind die Wahlkarten bereits in den Gemeindeergebnissen enthalten.
Grafik: Flooh Perlot
Quelle: wahldatenbank.at

Natürlich ist diese Darstellung stark zugespitzt, die NichtwählerInnen sind keine geschlossene Gruppe. Gegen einen allzu kritischen Blick auf eine sinkende Wahlbeteiligung lässt sich zudem argumentieren, dass gerade eine (relativ) große Zufriedenheit mit dem Status quo Personen dazu verleitet, nicht zur Wahl zu gehen, vor allem, wenn sie diese als nicht besonders wichtig, richtungsentscheidend oder umkämpft empfinden. Immerhin stieg die Zahl der abgegebenen Stimmen bei den Bundeswahlen 2016 und 2017.

Vor allem aber lebt Demokratie von unterschiedlichen Formen der Mitwirkung, Wahlen sind nur ein Instrument von vielen: Neben rechtlich streng geregelten Verfahren wie Volksabstimmungen fallen auch lose organisierte Aktionen wie Unterschriftensammlungen oder Demonstrationen darunter. Man kann Beteiligung sehr weit fassen, indem man bereits von Mitwirkung spricht, wenn sich Menschen über politische Ereignisse informieren; oder sehr eng, etwa als tatsächliche Mitarbeit in Parteien und politischen Organisationen.

Warum dann aber das stets wiederkehrende Schlaglicht auf die Wahlbeteiligung? Wahlen sind jene Beteiligungsform, die mit Abstand am häufigsten von der Bevölkerung genutzt wird. Im European Social Survey, einer großen europaweiten Studie zu unterschiedlichen Aspekten des gesellschaftlichen Lebens, wird regelmäßig danach gefragt, was die Menschen im vergangenen Jahr unternommen haben, um die Lage in ihrem Land zu verbessern oder gegen Fehlentwicklungen aufzutreten.

Dabei zeigt sich deutlich: Maximal ein Viertel der ÖsterreicherInnen gibt an, eine der abgefragten Beteiligungsarten genutzt zu haben. Zum Vergleich: Knapp 80 Prozent haben nach eigenen Angaben an der letzten Nationalratswahl (in der Studie: 2013) teilgenommen.

Ausgeübte Formen politischer Beteiligung

Anmerkung: Angaben in Prozent, Mehrfachnennungen; n=2.010 (Österreich), Feldzeit 19. September bis 28. Dezember 2016.
Grafik: Flooh Perlot
Quelle: ESS

Bei all diesen Werten ist zu beachten, dass persönliches Engagement in Befragungen oft als gewünscht wahrgenommen wird: Personen bejahen demnach wahrscheinlich häufiger die Frage nach solchen Aktivitäten. Dazu kommt, dass sich die unterschiedlichen Formen nicht gleichmäßig auf die Bevölkerung verteilen und damit gleichsam summieren. Anders ausgedrückt, politisch aktive Menschen beteiligen sich eher über mehrere Kanäle, während andere Gruppen ganz abstinent bleiben.

Abseits der Zahlenspiele rund um Wahl- und andere Beteiligungen ist eine Frage zentral: Was motiviert Menschen, an Politik und Demokratie mitzuwirken? Oder umgekehrt, was hindert sie daran? Die Antworten darauf sind nicht nur Ansatzpunkte für eine stärkere Einbindung, sie sind auch Indikatoren für die Güte eines demokratischen Systems.