Demos in Daten
Die Intensität der Corona-Krise hat vieles in den Hintergrund gedrängt – auch politische Demonstrationen wie die „Fridays for Future“-Bewegung, die 2019 viel Zulauf erhielt. Neue Daten des Demokratieradars lassen deren Einfluss auf die politische Beteiligung in Österreich nun genauer nachvollziehen.
Die Studie der Unis Krems und Graz fragte im Sommer 2018, ob jemand in den vergangenen zwölf Monaten an einer genehmigten Demonstration teilgenommen hatte. Damals bejahten gerade einmal acht Prozent die Frage. Rund zwei Jahre später geben rund zwölf Prozent der Befragten an, im vergangenen Jahr zumindest einmal demonstriert zu haben. Der Anstieg wirkt auf den ersten Blick unspektakulär, im direkten Vergleich zu anderen abgefragten politischen Aktivitäten (z.B. das direkte Kontaktieren der Politik oder das Mitwirken in einer politischen Partei) ist er ist aber sichtlich höher und aufgrund der großen Stichprobe von rund 4.500 befragten Personen auch aussagekräftig.
Politische Demonstrationen waren gerade 2019 nicht auf das Thema Klima beschränkt, Stichwort Ibiza. Ein gewichtiger Anteil dürfte dennoch auf die „Fridays for Future“-Kundgebungen entfallen sein, die über einen längeren Zeitraum regelmäßig aktiv waren. Da vor allem junge Menschen diese Demonstrationen getragen und unterstützt haben, ist der Vergleich nach Altersgruppen interessant. Hier zeigt sich: Gaben 2018 noch rund 15 Prozent der unter 30-Jährigen eine Demonstrationsteilnahme an, hat sich dieser Anteil seither auf 27 Prozent fast verdoppelt. Noch stärker ist er bei Befragten unter 20 Jahren gewachsen, übrigens ohne große Unterschiede zwischen Frauen und Männern.
Genereller Partizipationsschub?
Diese Übersetzung der Bilder zahlreicher demonstrierender (junger) Menschen in sozialwissenschaftliche Daten mag wenig überraschend wirken, sie zeigt aber, dass sich – zumindest kurzfristig – etwas messbar verändert hat, in einem durchaus beachtenswerten Ausmaß. Vorerst scheint dieser Partizipationsschub nur auf das Demonstrieren beschränkt. Weder bei der Mitarbeit in Parteien noch dem Tragen und Anbringen politischer Abzeichen hat sich die – selbst angegebene – Beteiligung in vergleichbarem Ausmaß verändert. Am ehesten lässt sich bei jüngeren Befragten noch eine leichte Zunahme der direkten Kontaktaufnahme mit Politikerinnen und Politikern feststellen. Das subjektive Interesse an der Innenpolitik ist weitgehend konstant.
Grundsätzlich überwiegt bei allen Partizipationsformen außer Wahlen – das Demokratieradar hat hier zwölf verschiedene Arten der Teilhabe abgefragt, vom politischen Diskurs online bis zur Unterschriftensammlung – nach wie vor die Zahl jener, die davon keinen Gebrauch machen. Ausnahme ist der bewusste Boykott von Produkten, den rund 50 Prozent der Befragten nach eigenen Angaben zumindest einmal im vergangenen Jahr ausgeübt haben.
Kann man die gesteigerte Teilnahme an Kundgebungen als ersten Schritt einer stärkeren Politisierung sehen? Oder als einmaliges Ereignis? Die Zahlen können allenfalls eine Zwischenbilanz sein, mittel- und langfristige Effekte von Bewegungen wie „Fridays for Future“ auf die politische Beteiligung gerade junger Menschen in Österreich lassen sich derzeit noch nicht abschätzen. Dass die Corona-Pandemie allein schon aufgrund der getroffenen Einschränkungen zumindest derzeit bremst, scheint freilich naheliegend.