Corona drückt auf die Demokratiezufriedenheit
Daniela Ingruber, Flooh Perlot, Katrin Praprotnik
Über ein Jahr Pandemie hat in Österreich deutliche Spuren in der Demokratiezufriedenheit der Bevölkerung hinterlassen. Nur mehr 69 Prozent sind mit dem Funktionieren unseres demokratischen Systems zufrieden. Das ist der niedrigste Wert seit Beginn des Demokratieradar im Jahr 2018. Im Vergleich zur letzten Erhebung im Herbst 2020 zeigt sich ein Rückgang von fünf Prozentpunkten. Eine Einordnung und mögliche Lösungsstrategien.
Verschwörungslegenden und Demokratiezufriedenheit
Nicht immer sind es reale Mängel, die die Zufriedenheit mit der Demokratie drücken. Es kann auch ein Gefühl sein, dass etwas schiefläuft oder nicht so ist, wie es sein sollte. In diesem Sinne hat Corona auch die Entstehung neuer Verschwörungslegenden befördert. Wir verwenden hier bewusst den Begriff der Legenden, da es sich schlicht um erfundene Erklärungen handelt und nicht um eine Theorie im wissenschaftlichen Sinne. Menschen, die an solche Legenden glauben, sind laut dem aktuellen Demokratieradar mehrheitlich der Meinung, dass die Demokratie in Österreich schlecht funktioniert. Bereits jede/r Fünfte sieht die Demokratie nicht als bestes System an. Und schließlich ist auch ihr Blick in die Zukunft deutlich getrübter. Menschen, die Verschwörungslegenden ablehnend gegenüberstehen, sagen zu knapp 60 Prozent, dass sich Österreich in den kommenden Jahren positiv entwickeln wird. Bei jenen, die Verschwörungslegenden Glauben schenken, sind es nur mehr 23 Prozent.
Einflussfaktoren abseits von Legenden
Es ist natürlich nicht ein einzelner Faktor, der darüber bestimmt, ob jemand mit der heimischen Demokratie zufrieden ist oder nicht. Eine Vielzahl an Faktoren kommt zusammen – vom realen Zustand der Demokratie bis hin zur individuellen Lebenssituation, persönlichen Erfahrungen oder den bestehenden Rahmenbedingungen wie eben der Corona-Situation. Es sind das Alter, der formale Bildungsstand, die selbst eingeschätzte wirtschaftliche Situation und die Parteinähe, die die Zufriedenheit mit dem Funktionieren der Demokratie beeinflussen. Männer und Frauen sind hingegen gleichermaßen (un)zufrieden.
Im Detail zeigt sich, dass jüngere Menschen deutlich weniger zufrieden sind als ältere Menschen. Diese Entwicklung muss genau beobachtet werden, denn die Jungen bestimmen das politische System der Zukunft. Darüber hinaus sind Menschen mit einem formal niedrigeren Bildungsniveau, welches gar nichts über die Intelligenz, sondern vielmehr etwas über das Berufsumfeld und die entsprechenden sozioökonomischen Chancen aussagt, kritischer eingestellt. Gleiches gilt für Personen, die unglücklich mit ihrer eigenen wirtschaftlichen Situation sind. Auch hier kann Corona in Zukunft beschleunigend im negativen Sinne wirken, wenn wir die wirtschaftlichen Auswirkungen der Pandemie nach dem Auslaufen der staatlichen Hilfen vollständig zu sehen bekommen. Betrachtet man die Parteinähe der Bürger*innen, so fällt auf, dass insbesondere Personen mit FPÖ-Nähe und Nicht-Wähler*innen mit dem Funktionieren der Demokratie nicht zufrieden sind. Wenig überraschend sind Personen mit Nähe zu den Regierungsparteien zufriedener. Das ist in der Forschung gut belegt.
Lösungsstrategien: Politik und Bevölkerung sind gefragt
Je nachdem welche Gründe für eine niedrige Demokratiezufriedenheit verantwortlich sind, sind natürlich unterschiedliche Lösungsstrategien gefragt: Reformen an der Demokratie und/oder Eigeninitiative der Bürger*innen.
Die Politik macht die Rahmenbedingungen und füllt das Modell „Demokratie“ mit ihrer täglichen Arbeit mit Leben. Während der Corona-Krise wurden Einschnitte insbesondere in die Freiheitsrechte der Bürger*innen zum Schutz der Gesundheit gesetzt. Es ist wichtig, dass diese – jeweils in Abstimmung mit der epidemiologischen Situation – auch wieder vollständig zurückgenommen werden. Ein wichtiger Schritt wurde durch die für Juli angekündigten weitgehenden Lockerungen, die von Expert*innen vor dem Hintergrund der aktuellen Zahlen als im Wesentlichen vertretbar eingestuft wurden, bereits gesetzt. Darüber hinaus weisen allerdings internationale Messungen wie Freedom House Index auch auf Schwächen der heimischen Demokratie abseits von Corona hin. Diese Inputs können genutzt werden, um an unserer Demokratie zu arbeiten. Immer wiederkehrende Stichworte sind hier Korruption oder mangelnde Transparenz des Staates.
Demokratie verleiht ihren Bürger*innen neben einer Vielzahl an Rechten auch Pflichten oder besser gesagt Chancen zur Beteiligung und Selbstgestaltung. Alle Bürger*innen waren im letzten Jahr in ihrer Freiheit stark eingeschränkt. Sie hatten kaum die Gelegenheit für zufällige Begegnungen und daraus entstehende Gespräche. Die Nutzung des öffentlichen Raums ist praktisch weggefallen. Wir sehen, dass das Vertrauen in andere Menschen gesunken ist. Es kann sein, dass man dadurch auch an Diskussionsfähigkeit verloren hat. Doch Demokratie braucht genau diese Elemente. Wir müssen vertrauen und auch im respektvollen Miteinander gegensätzliche Positionen austauschen und aushalten können. Das ist Demokratie. Ist der soziale Kontakt pandemiebedingt noch eingeschränkt, dann lohnt vielleicht einfach ein Blick in eine andere Informationsquelle als sonst für einen Perspektivenwechsel.
Das Demokratieradar
Das Demokratieradar ist die halbjährlich durchgeführte Bevölkerungsrumfrage des Austrian Democracy Labs. Wir befragen Menschen zu ihrer Demokratiezufriedenheit und jeweils einem aktuellen Schwerpunktthema per Telefon- und online-Umfrage (n=4.500 Personen). Neben den Themen Vertrauen, EU, Föderalismus, Partizipation ging es im aktuell 7. Demokratieradar um Verschwörungslegenden rund um Corona. Nähere Informationen zum Demokratieradar sind hier zu finden.