Bewährtes für den EU-Wahlkampf
Die SpitzenkandidatInnen der österreichischen Parteien für die EU-Wahl am 26. Mai 2019 stehen (weitgehend) fest. Große Überraschungen sind zumindest beim Führungspersonal ausgeblieben. Auch das Profil der KandidatInnen entspricht durchaus dem Muster bisheriger EU-Wahlen, nur QuereinsteigerInnen an der Spitze gibt es diesmal nicht.
Bisher wählten die ÖsterreicherInnen – genau genommen zwei Drittel bis weniger als die Hälfte der Wahlberechtigten – bei fünf Gelegenheiten Abgeordnete ins EU-Parlament (EP). Direkt nach dem Beitritt wurden die dem Land zustehenden Sitze durch den Nationalrat besetzt, entsprechend der dortigen Mandatsverteilung. Die erste „echte“ Wahl folgte am 13. Oktober 1996 mit 21 zu vergebenden Sitzen. 2019 sind 19 Mandate zu besetzen.
Wie viele Listen bei der Wahl am 26. Mai antreten werden, ist noch offen. Die aktuellen Nationalratsparteien (außer JETZT) sowie die Grünen haben sich jedoch bereits auf ihre SpitzenkandidatInnen festgelegt.
SpitzenkandidatInnen der Nationalratsparteien plus Grüne für die EU-Wahl 2019
Name | Partei |
Früher bereits Spitzenkandidat/in? |
Alter bei Spitzenkandidatur* | Tätigkeit vor der Spitzenkandidatur |
NameOthmar Karas | ParteiÖVP | 1. Kandidatur2014 | Alter*61 (56) | war vorherEU-Abgeordneter |
NameAndreas Schieder | ParteiSPÖ | 1. Kandidatur– | Alter*50 | war vorherNationalratsabgeordneter |
NameHarald Vilimsky | ParteiFPÖ | 1. Kandidatur2014 | Alter*52 (47) | war vorherEU-Abgeordneter |
NameClaudia Gamon | ParteiNEOS | 1. Kandidatur– | Alter*30 | war vorherNationalratsabgeordnete |
Namenoch offen | ParteiJETZT | 1. Kandidatur– | ||
NameWerner Kogler | ParteiGRÜNE | 1. Kandidatur– | Alter*57 | war vorherParteichef |
* Der Wert in Klammer zeigt das Alter bei der erstmaligen Spitzenkandidatur; jeweils gerechnet auf den Wahltag
Quelle: www.parlament.gv.at (21.1.2019)
Der auffälligste Unterschied zum Feld des früheren Spitzenpersonals ist das Fehlen von QuereinsteigerInnen (was für weitere Listenplätze nicht unbedingt gelten muss). Bei vier der fünf bisherigen Wahlen hatte zumindest eine der antretenden Nationalratsparteien eine Person nominiert, die davor noch nicht oder schon länger nicht mehr politisch hauptberuflich aktiv gewesen war: Die ehemalige ORF-Journalistin Ursula Stenzel begründete dieses Muster 1996 für die ÖVP, es folgten 1999 der Autor und Journalist Hans-Peter Martin (für die SPÖ), 2009 der ehemalige Innenminister Ernst Strasser (für die ÖVP) und 2014 Eugen Freund (für die SPÖ), ebenfalls zuvor ORF-Journalist. 2019 führen (bisher) nur aktuelle Nationalrats- oder EU-Abgeordnete sowie ein Parteichef die Listen an. Sollten sich die Spekulationen über das Antreten von Johannes Voggenhuber für JETZT bewahrheiten, dann gäbe es freilich auch 2019 einen solchen Quereinsteiger – wobei für den EU-Abgeordneten von 1995 bis 2009 der Begriff Rückkehrer passender wäre.
Warum die Parteien 2019 auf politisch erfahrene Personen vertrauen, kann unterschiedliche Gründe haben. Die bisherigen Erfahrungen mit QuereinsteigerInnen sind zumindest unterschiedlich: Zwar konnten Stenzel, Martin oder Freund beim ersten Antreten durchaus Wahlerfolge feiern. Allerdings zeigt der Konflikt zwischen SPÖ und Martin, der letzten Endes zur Gründung einer eigenen Liste führte, beispielhaft das mögliche Spannungsfeld zwischen Parteien und Personen, die von außen kommen.
Mit Karas und Vilimsky treten zwei Kandidaten von 2014 erneut an. Rückblickend haben sieben der bisher insgesamt 16 unterschiedlichen SpitzenkandidatInnen ihre Funktion mehr als einmal ausgeübt. Stenzel war noch zwei weitere Male Spitzenkandidatin, Swoboda zwar 1999 nur viertgereiht, dann aber bis inklusive 2009 wieder erste Wahl. Auch Voggenhuber führte die Liste seiner Partei dreimal an, 2009 wurde er von Ulrike Lunacek abgelöst, die ihrerseits 2014 wieder kandidierte.
Den größten Wechsel gab es historisch gesehen bei der FPÖ, die bei jeder Wahl mit einem anderen/einer anderen Spitzenkandidatin auftrat. 2019 endet diese Serie.
Bisherige SpitzenkandidatInnen von Parteien mit Mandaten im Nationalrat bzw. Europäischen Parlament
Jahr | Name | Partei |
Alter bei Spitzenkandidatur* |
nochmalige Spitzenkandidatur |
Tätigkeit vor der Spitzenkandidatur |
1996 | Ursula Stenzel | ÖVP |
51 |
1999, 2004 |
Journalistin |
1996 | Johannes Swoboda | SPÖ |
49 |
2004, 2009 |
Stadtrat Wien |
1996 | Franz Linser | FPÖ |
35 |
– |
EU-Abgeordneter |
1996 | Johannes Voggenhuber | GRÜNE |
46 |
1999, 2004 |
EU-Abgeordneter |
1996 | Friedhelm Frischenschlager | LIF |
53 |
– |
Nationalrats-Abgeordneter |
1999 | Hans Peter Martin | SPÖ |
41 |
2004, 2009 ** |
Journalist/Autor |
1999 | Daniela Raschhofer | FPÖ |
38 |
– |
Landtags-Abgeordnete |
2004 | Johann Kronberger | FPÖ |
53 |
– |
EU-Abgeordneter |
2009 | Ernst Strasser | ÖVP |
53 |
|
Privatwirtschaft |
2009 | Andreas Mölzer | FPÖ |
56 |
-*** |
EU-Abgeordneter |
2009 | Ulrike Lunacek | GRÜNE |
52 |
2014 |
Nationalrats-Abgeordnete |
2009 | Ewald Stadler | BZÖ |
48 |
– |
Nationalrats-Abgeordneter |
2014 | Othmar Karas | ÖVP |
56 |
2019 |
EU-Abgeordneter |
2014 | Eugen Freund | SPÖ |
63 |
– |
Journalist |
2014 | Harald Vilimsky | FPÖ |
47 |
2019 |
EU-Abgeordneter |
2014 | Angelika Milnar | NEOS |
43 |
– |
Nationalrats-Abgeordnete |
* angegeben ist das Alter bei der erstmaligen Spitzenkandidatur
** als Spitzenkandidat der Liste Martin
*** Mölzer wäre 2014 ursprünglich als Spitzenkandidat vor Vilimsky vorgesehen gewesen, zog seine Kandidatur aber nach sehr umstrittenen Aussagen zurück (21.1.2019)
Quellen: Bundesministerium für Inneres, EU-Parlament (beide 21.1.2019)
Nationalrat und EU-Parlament bleiben jene Arenen, aus denen die SpitzenkandidatInnen hauptsächlich hervorgehen: Zehn der 16 ListenführerInnen wechselten beim ersten Antreten entweder direkt vom nationalen ins europäische Parlament oder waren dort schon tätig. Salopp formuliert: SpitzenkandidatInnen kommen üblicherweise nicht aus dem Nichts. Zwei Beispiele: Othmar Karas war von 1999 bis inklusive 2009 dreimal Zweitgereihter, bevor er 2014 offiziell die ÖVP-Liste anführte. 2009 hatte er den Listenersten Ernst Strasser bei den Vorzugsstimmen um fast das Dreifache überflügelt. Ähnliches gilt für Andreas Mölzer, der 2004 mehr als doppelt so viele Vorzugsstimmen wie FPÖ-Spitzenkandidat Kronberger erzielte, bevor er 2009 selbst Platz eins auf der Liste übernahm.
In Sachen Geschlecht setzt die Wahl 2019 den langjährigen Trend fort: Von den 16 SpitzenkandidatInnen waren nur vier Frauen, 2019 ist es bisher eine. Der aktuelle Altersschnitt von 50 Jahren liegt rund drei Jahre unter jenen von 2014, 2009 und 2004, in den 1990ern bewegte er sich zwischen 45 und 47 Jahren (jeweils gerechnet auf die Parteien, die den Einzug ins Europäische Parlament geschafft haben).
Ein Detail am Rande ist, dass aktive Regierungsmitglieder bisher nicht die Führung eines EU-Wahlkampfes gesucht haben: Ernst Strasser und Friedhelm Frischenschlager hatten zwar zuvor Ministerposten inne, zwischen ihrer Amtszeit und dem Antreten lagen jedoch Jahre. 2019 ist das nicht anders, wobei auch der zweite Listenplatz für Staatssekretärin Karoline Edtstadler eine Ausnahme darstellt.