Das politische Selbstvertrauen der Geschlechter

Am 12. November jährt sich nicht nur der Geburtstag der österreichischen Republik, das Datum markiert auch die Einführung des allgemeinen und gleichen Frauenwahlrechts 1918. 100 Jahre später sind Frauen zumindest zahlenmäßig immer noch nicht angemessen in politischen Ämtern vertreten. Gleichzeitig schätzen sie ihre eigenen Möglichkeiten im politischen Diskurs anders ein als Männer.

Derzeit sind rund 37 Prozent aller Abgeordneten im Nationalrat Frauen (Stand November 2018), ein historischer Höchststand. Wirklich Bewegung in diese Statistik ist freilich erst in den 1990er Jahren gekommen. Abseits der parlamentarischen Ebene ist die Vertretung von Frauen in politischen Führungspositionen teils noch deutlich geringer.

Wie aber schätzen Frauen ihre generellen Möglichkeiten ein, an Politik in Österreich teilzunehmen? Dazu lassen sich einige Aussagen auf Basis der Ergebnisse des Demokratieradars treffen.

Eine hilfreiche Maßzahl dafür ist das so genannte politische Effektivitätsbewusstsein. Dieses setzt sich aus verschiedenen Fragen zur selbst eingeschätzten Kompetenz (internes Effektivitätsbewusstsein) und zur – ebenfalls subjektiv eingeschätzten – möglichen Einflussnahme auf politische Akteure und Entscheidungen zusammen (externes Effektivitätsbewusstsein).

Vergleicht man diese Einstellungen zwischen Frauen und Männern, dann zeigen sich tatsächlich Unterschiede: Frauen stimmen der Aussage häufiger zu, dass Politik so kompliziert sei, dass sie diese kaum noch verstehen würden: 22 Prozent bejahen das sehr, 36 Prozent zumindest eher. Männer teilen diese Ansicht hingegen nur zu 17 Prozent sehr und zu 32 Prozent eher – insgesamt ein Unterschied von neun Prozentpunkten.

Auf dieser Basis trauen sich Frauen offenbar auch seltener zu, an einem Gespräch über politische Inhalte teilzunehmen: Nur 19 Prozent stimmen dem sehr zu, unter Männern sind es mit 34 Prozent fast doppelt so viele. Die Unterschiede bleiben auch bestehen, wenn man etwa Alter und formale Bildung als weitere Variable hinzunimmt. Frauen schätzen ihre eigene Kompetenz anders, nämlich schlechter, ein als Männer.

Selbsteinschätzung politischer Kompetenz und Einflussmöglichkeiten

Anmerkung: Zustimmung (stimme sehr/eher zu) in Prozent zu verschiedenen Aussagen zum politischen Effektivitätsbewusstsein. n=4.591, max. Schwankungsbreite für Frauen +/- 2 Prozentpunkte, Feldarbeit 04.06.2018 bis 06.08.2018.
Grafik: Flooh Perlot
Quelle: Demokratieradar Welle 1

Geht es hingegen darum, ob man selbst Einfluss auf die Politik hat oder ob die Politik sich um einen kümmert, dann zeigen Frauen und Männer ein ähnliches – externes – Effektivitätsbewusstsein. Anders ausgedrückt, sie schätzen ihre Chancen hier vergleichbar gut oder schlecht ein.

Dass es politische Auffassungsunterschiede zwischen den Geschlechtern gibt, demonstrieren Analysen des Wahlverhaltens laufend (wenn auch in unterschiedlicher Intensität und nicht einfach zu verallgemeinern; siehe etwa hier oder hier). Die Daten des Demokratieradars zeigen darüber hinaus, dass davon auch der grundsätzliche Zugang zu Politik betroffen ist.

Die Ergebnisse bedeuten in keiner Weise, dass Frauen weniger kompetent sind als Männer oder weniger gut an politischen Debatten teilnehmen können, sondern legen in erster Linie einen Unterschied in der Selbstsicht zwischen ihnen offen. Dass es dabei zu einer Wechselwirkung mit der (fehlenden) Repräsentation in politischen Funktionen kommt, liegt – zumindest als These – nahe.