Verbundenheit mit der EU
Österreich hat am 1. Juli zum dritten Mal nach 1998 und 2006 den Vorsitz im Rat der Europäischen Union übernommen. Neben inhaltlicher und koordinierender Arbeit bedeutet das vor allem viel Zeit für Symbolik.
Bereits die Übergabe des Vorsitzes von Bulgarien an Österreich war entsprechend in Szene gesetzt, wobei der Anlass weitere Beispiele für den laufenden Kampf um die Bildhoheit in Massenmedien lieferte. Im Zentrum der Fotos stand das vermutlich bekannteste Symbol der EU, ihre Flagge (deren zwölf Sterne nicht für Mitgliedsstaaten, sondern für Einheit, Solidarität und Harmonie zwischen den Völkern Europas stehen). Mit der Hymne (Achtung, Musik), dem jährlichen Europatag am 9. Mai und dem Motto „In Vielfalt geeint“ gibt es noch drei weitere, mehr oder minder gebräuchliche, Symbole der EU.
Sie alle dienen dazu, das abstrakte und entfernte, mitunter als zu künstlich oder bürokratisch kritisierte Gebilde einer Europäischen Union besser greif- und vermittelbar zu machen. Im Idealfall können und sollen sie zu einer gemeinsamen europäischen Identität beitragen und eine emotionale Bindung an dieses Europa vorantreiben. Das dabei bestehende Spannungsfeld wird gut zwischen den Polen einer oft harschen Kritik an „der“ EU und dem gegenläufigen Hinweis, dass letzten Endes wir alle die EU sind, deutlich.
Die konkreten Gefühle, die die BürgerInnen der Union entgegenbringen, variieren. Das Eurobarometer erhebt eine entsprechende Frage seit Anfang der 2000er Jahre, was sowohl einen Blick auf den Ist-Stand als auch auf seine Entwicklung zulässt. Dabei ist leicht zu erkennen, dass die größte Verbundenheit nach wie vor mit dem eigenen Land und dem eigenen Dorf/Ort/Gemeinde vorliegt. Die EU als Bezugspunkt bleibt deutlich dahinter zurück, auch wenn die Werte im Schnitt aller Mitgliedsländer (nicht in Österreich) in den vergangenen Jahren zugenommen haben.
Wie stark fühlen Sie sich verbunden mit…
Anmerkung: Anteil an Personen in Österreich bzw. im EU-Schnitt, die sich 2002 bzw. 2018 mit der jeweiligen Ebene „sehr verbunden“ fühlten
Grafik: Flooh Perlot
Quelle: Eurobarometer
Zugegeben, es mag ein hoher Anspruch sein, sich mit einer politischen Organisation wie der EU „sehr verbunden“ zu fühlen. Aber auch wenn man die zweite Antwortkategorie – jene Personen, die sich mit ihr „ziemlich verbunden“ fühlen – ergänzt, weckt die Union nur bei rund der Hälfte der ÖsterreicherInnen entsprechende Gefühle (EU-Schnitt: 56 Prozent). Das Land und die Gemeinde landen bei rund 95 Prozent. So gesehen ist der Weg zu einer europäischen Identität noch weit – übrigens nicht nur in Österreich, tendenziell gibt es in fast allen Mitgliedsstaaten einen Überhang der Verbundenheit zum eigenen Staat gegenüber der EU.
Freilich wechselt die gefühlte Nähe jeweils mit dem Bezugspunkt. Anders ausgedrückt, bei einer Reise quer durch Österreich definiert man sich vielleicht eher über die eigene Stadt oder das eigene Bundesland, sobald man ins Ausland kommt hingegen über sein Herkunftsland – und auf anderen Kontinenten über Europa insgesamt? Das lässt sich an dieser Stelle nicht beantworten und bleibt ein individuelles Gedankenexperiment.